Seit etwas über einem Jahr wird in Schleswig-Holstein das Vorgehen der Polizei gegen Antifaschist*innen härter. Insbesondere die zweite Einsatzhundertschaft Schleswig-Holstein fällt durch räudig-aggressives Gebaren auf. Immer wieder geht die Polizei brutal vor, um Faschisten zu schützen und rechfertigt ihre Gewalt dann durch Anzeigen: „Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte“ wird den von der Polizei-Gewalt Betroffenen vorgeworfen. Das Muster ist dabei wiederkehrend.
Mit Gewalt versucht die Polizei (Sitz)blockaden zu verhindern und eskaliert dabei zunehmend. In den Jahren zuvor war der Einsatz von Pfefferspray in Schleswig-Holstein eher unüblich, mittlerweile sind nicht mal mehr die „Omas gegen Rechts“ sicher davor. Tritte und Schläge werden eingesetzt.
Ende des Jahres 2024 wurde eine Person durch polizeiliche Schläge bei einer Demonstration gegen eine AfD-Veranstaltung in Schwentinental (Nähe Kiel) ohnmächtig. Dort veranstalten regelmäßig die Basis und die AfD bei „Exit Cars“. Bei Protesten und Blockaden gegen eine Veranstaltung im AfD-Parteibüro im Walkerdamm in Kiel im Mai 2025 schubste, trat und schlug die Polizei Menschen auf eine Straße, auf der noch Auto-Verkehr floß und verprügelte sie selbst am angemeldeten Kundgebungsort noch weiter. Die BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit) provozierte und nahm dann gegen Ende der Kundgebung, als Antifaschist*innen geschlossen gehen wollten, Menschen fest. Dabei wurde zweien davon mit sehr ähnlichem Vorgehen der Arm gebrochen, es kam zu Prellungen, Schmerzgriffen und dem Würgen von Personen. Einer weiteren Person wurde bei der Festnahme auch ein Armbruch angedroht.
Hierin zeigt sich auch das Muster, was sich bei anderen Gelegenheiten schon abzeichnete: Gegen Ende der Versammlungen werden 1-3 Antifaschistinnen rausgezogen um sie festzunehmen oder ihre Personalien festzustellen und um ihnen „Tätlichen Angriff gegen Vollstreckungsbeamte“ vorzuwerfen. So auch im Oktober 2024: Gegen eine AfD-Veranstaltung zur Verteidigungspolitik demonstrierten etwa 350 Antifaschistinnen und blockierten auch den Hinterausgang zur AfD-Parteizentrale, womit die Zugänge zur Veranstaltung der AfD eingeschränkt waren. Dabei griff die 2. Einsatzhundertschaft mit Schlägen, Tritten und Pfefferspray die Kundgebung der Antifa-Koordination an (während die zeitgleich stattfindende Kundgebung des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus in Kiel in Ruhe gelassen wurde). Zwölf eigenes aufmarschierte Cops nahmen eine Person fest, mit dem Vorwurf sie habe mit einer Fahnenstange auf den Helm eines Polizisten geschlagen. Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, Landfriedensbruch unter Gewaltanwendung,Körperverletzung sowie Gefährliche Körperverletzung werden ihr nun vorgeworfen.
Dass die Polizei sehr unkreaktiv in ihren Vorwürfen ist, zeigte sich ein paar Monate später, bei Protesten gegen das Nazikonzert des Labels „NDS records“ in Nordhastedt im Westen Schleswig-Holsteins: Auch dort wurde am Ende der Veranstaltung eine Antifaschist*in herausgezogen und ihr vorgeworfen, sie hätte einen Cop mit einer Fahnenstange geschlagen. Auch im Januar 2025 in Neumünster bei Protesten von 2.000 Menschen gegen 150 AfD-Demonstrierende räumte die Polizei Sitzblockaden und stoppte weitere Blockade-Versuche gewalttätig. Am Shopping-Center in der Neumünsteraner Innenstadt trafen rechte Demonstration und Gegenprotest aufeinander, getrennt nur durch Polizeiketten. Die Polizei prügelte die Antifaschist*innen zurück und die BFE zog mindestens vier Menschen aus der Menge, drei davon wurden wegen „Tätlichem Angriffs“ und/oder Körperverletzung kurzzeitig festgenommen. Wiederum in Neumünster, im Juli 2025 demonstrierten zahlreiche Menschen gegen etwa 25 Nazis, die sich zu einer von der NPD angemeldeten Demonstration gegen den CSD versammelt hatten. Die Polizei ließ die geringe Zahl Nazis laufen und verkürzte dafür die Route des CSD, bei dem 1500 Menschen für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt demonstrierten. Bei dem äußerst gewalttätigen Vorgehen wurden wieder etliche Personen verletzt und einzelne festgehalten und angezeigt.
In Heide, bei Protesten gegen die nationalistische und fremdenfeindliche „Initiative für Deutschland“, versuchten einige Antifaschist*innen die Aufmarschroute zu blockieren, die Polizei prügelte, zwei Personen wurden direkt festgenommen und eine wieder am Ende, als alles vorbei war, noch zur Personalienfeststellung wegen angeblichem tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte herausgezogen.
In Henstedt-Ulzburg bei Protesten gegen die dort stattfindenden AfD-Landesparteitage ließen sich ähnliche Beobachtungen machen.
All diese Beispiele zeigen, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt und auch um kein Phänomen, was nur auf eine Stadt beschränkt ist, sondern es scheint sich um eine landesweit gültige neue Strategie der Cops zu handeln.
Vor Kameras, gerade vor Presseaufnahmen durch „seriöse“ bürgerliche Medien schreckt die Polizei oft zurück und zeigt die vollständige Brutalität vor allem in Momenten, in denen die Kameras nicht auf sie gerichtet sind. Das konnte bei mehreren Situationen beobachtet werden. Aufnahmen nutzen den Beschuldigten von tätlichem Angriff in Verfahren häufig entlastend, aber das funktioniert nur, wenn sie diesen auch zur Verfügung gestellt werden. Wichtig ist zu überdenken, wann gefilmt wird und was, denn die Polizei kann Handys oder Kameras beschlagnahmen und auswerten. Die Polizei ihrerseits filmt regelmäßig antifaschistische Demonstrationen und scheint die Aufnahmen auch noch während der laufenden Versammlungen auszuwerten um im Anschluss Festnahmen zu tätigen.
Es ist zwar schon seit vielen Jahrzehnten so, dass die Institutionen eher auf dem rechten Auge blind sind und Nazis ungestört laufen und morden können. Aber nun fällt doch auf, dass die Polizei sich immer mehr Gewalt traut. Daran, dass die Polizei immer ungehemmter brutal agiert, zeigt sich auch ein gesellschaftlicher Wandel: Menschenrechte sind aus der Mode gekommen, die Verteidigung gegenüber realen oder imaginierten Feind*innen steht für den Staat im Vordergrund. Gerade das bedeutet aber, dass Antifaschismus umso notweniger ist – auch und gerade, wenn sich die Cops dem in den Weg stellen.
Lasst euch also nicht einschüchtern und bleibt oder werdet aktiv!
Unterstützt Menschen emotional, wenn sie von Polizeigewalt betroffen sind und helft ihnen vor Gericht oder beim Geld sammeln für Strafen und Verfahren. Lasst Solidarität nicht nur eine hohle Phrase sein! Denn Solidarität ist unsere Waffe!