Polizeibeauftragte in Schleswig-Holstein

Reale Verbesserung oder Feigenblatt?
Ein Erfahrungsbericht

2016 wurde eine Polizeibeauftragte beim Landtag Schleswig-Holstein eingeführt. Die Grünen rühmten sich damals, diese Stelle geschaffen zu haben und betonten deren angebliche Unabhängigkeit. So sollte eine Ansprechpartnerin geschaffen werden für Bürgerinnen und Bürger, die sich über Probleme mit der Polizei des Landes Schleswig-Holstein beschweren möchten. Unabhängige Beschwerdestellen werden auch seit Jahren von amnesty international gefordert, um Polizeigewalt zu bekämpfen. In anderen Bundesländern wird bei solchen Forderungen Schleswig-Holstein als Positivbeispiel genannt. Tatsächlich ist die Stelle auch zumindest in dem Sinne unabhängig, dass sie nicht dem Innenministerium untersteht, sondern beim Parlament angesiedelt ist, von der Idee her als eine Art parlamentarische Kontrolle der Polizei.

Schauen wir uns die Realität an, ein Experiment, was denn so eine unabhängige Beschwerdestelle taugt. Ein konkreter Anlass: Als die Polizei in Kiel im September 2021 nach einer Straßenblockade etwa 15 Personen auf die Wache mitnimmt und einsperrt, lässt sie keine davon telefonieren, obwohl mehrere danach verlangt haben. Telefonisch gibt sie die Auskunft, dass sie die Personen nur festhalten würde und deshalb nicht telefonieren lassen müsste. Die Gesetzesgrundlagen sind da allerdings eindeutig: Sowohl im Landesverwaltungsgesetz als auch in der Strafprozessordnung, also den beiden Grundlagen, nach denen Menschen durch die Polizei eingesperrt werden, ist das Recht auf die Benachrichtigung einer Vertrauensperson (also ein Telefonat) festgeschrieben – im vorliegenden Fall müssten §163c StPO und §114b StPO angewendet werden. Das gilt unabhängig von der Straftat, die vorgeworfen wird. Auch Mörderinnen oder Vergewaltiger haben das Recht auf ein entsprechendes Telefonat. Ich beschließe, einfach mal auszuprobieren, was denn die unabhängige Beschwerdestelle für die Polizei in Schleswig-Holstein taugt und beschwere mich per Mail. Im Verlauf recherchiere ich auch immer mehr zur Stelle der Polizeibeauftragten.

Wer arbeitet in der „unabhängigen“ Stelle?

Nach einer kurzen Empfangsbestätigung bekomme ich fast zwei Monate später eine Antwort: eine Einladung zu einem Gesprächsangebot, unterschrieben von einer „Kriminalhauptkomimisarin, Supervisorin und Beraterin“. Ein erster Schock:Als direkt oder indirekt Betroffene von Polizeigewalt, Machtmissbrauch oder polizeilichem Fehlverhalten soll ich mich vertrauensvoll an eine Polizistin wenden?

Tatsächlich arbeiten bei der Beauftragten für die Landespolizei Schleswig-Holstein insgesamt vier Personen: die offizielle Beauftragte El Samadoni, eine Juristin und zwei Polizistinnen. Auf die Nachfrage, ob denn eine der Personen mal festgenommen wurde, weiß die Kommissarin keine Antwort, sie selbst zumindest nicht. Allein diese Besetzung sagt schon sehr viel über die Arbeit der „unabhängigen“ Stelle aus: Die Hälfte der dort arbeitenden Personen kennt den Polizeialltag, hat Konflikte aus Sicht der Polizei wahrgenommen und bearbeitet. Erfahrungen mit Gewalt oder Gewahrsamnahmen durch die Polizei hat dagegen keine der dort arbeitenden Personen.

Verstärkt wird das Problem dadurch, dass diese einseitige Besetzung nicht als Problem wahrgenommen wird, sondern im Gegenteil befürwortet wird. Auf meine kritische Anmerkung hin kommt die Antwort: „Für diese Bearbeitung sind das Wissen und die Erfahrung aus der polizeilichen Organisation unentbehrlich. Wir stehen mit diesem mediativen Ansatz demnach in der Mitte und in der Rolle einer Art Schlichtungsstelle/eines Vermittlers.“. Eine Freundin kommentiert bissig: „Die Polizei steht in der Mitte zwischen der Polizei und den Menschen.“

Diese Zusammensetzung ist dadurch entstanden, dass die Polizeibeauftragte sowohl für Beschwerden von Bürger*innen über die Polizei als auch für Eingaben aus der Polizei, also innerdienstliche Beschwerden zuständig ist. Nach Einrichtung der Stelle 2016 gab es eine Aufgabenteilung: Eine Polizistin bearbeitete die Eingaben aus den Reihen der Polizei, eine Juristin die von Bürger*innen. Das funktionierte dann aber nicht mehr, weil es Anfangs deutlich mehr Eingaben aus der Polizei selbst gab. Deshalb wurde eine weitere Polizist*innen-Stelle geschaffen, die 2021 besetzt wurde. Allerdings sind es mittlerweile viel mehr Bürger*innen geworden, die sich an die Polizeibeauftragte wenden, weshalb es zur Bearbeitung von Eingaben wie meiner durch eine Polizistin kommt.

Dass Beschwerden aus den Reihen der Polizei von Polizist*innen besser verstanden werden, kann durchaus sein, denn dort den Arbeitsalltag erlebt zu haben kann natürlich zu einer besseren Einschätzung von Problemen führen.

Aber wenn Polizist*innen Beschwerden aus der Bevölkerung bearbeiten ist das schwierig. Sie hätten einen Rollenwechsel vorgenommen und würden diesen ernst meinen, wird mir und einer Freundin in einem Gespräch von der Polizeibeauftragten erklärt. Sie als Polizeibeauftragte und Chefin der dort arbeitenden Polizist*innen würde ihnen deshalb auch vertrauen. Ich nehme den Beteiligten ab, dass sie das glauben. Aber leider ist das nicht so einfach: An einem Tag als ermittelnde Polizistin schlafen gehen und am nächsten sich sensibel um Beschwerden über die Polizei zu kümmern. Wir alle sind geprägt von unseren Erfahrungen. Die Ausbildung bei der Polizei erzeugt eine bestimmte Art zu denken. Eine Art zu denken, die nicht so einfach abgelegt werden kann (wie gleich auch noch in Beispielen deutlich wird).

Die Frage, wie das denn besser ginge, beantworten wir mit: „Provokant: Stellen Sie Kriminelle ein“. Ich denke, wenn es wirklich um Verständnis für Betroffene von polizeilicher Machtausübung geht, wäre es wirklich hilfreich, Menschen dort zu haben, die selbst mal die Erfahrung gemacht haben, wie es ist, festgenommen zu werden, allem hilflos ausgeliefert zu sein, nicht zu wissen, was als nächstes mit einer passiert. Keine Ahnung zu haben, wann mensch wieder freikommt. Oder vielleicht kämen auch Menschen in Frage, die dieser Perspektive zumindest näher stehen, weil sie die Berichte über genau diese Situationen aus ihrem beruflichen oder privaten Umfeld kennen. Weil die Perspektive sich ändert. Und so kamen wir zu einem Gespräch darüber, ob vielleicht Menschen wie Sozialarbeiter*innen, Streetworker oder Journalist*innen dafür nicht besser qualifiziert wären als Jurist*innen und Polizist*innen.

Wer ist das Problem?

Nach ein bisschen Nachdenken nehme ich nach dem ersten Mail-Kontaktmit der für mich zuständigen Polizstin der Beschwerdestelle mehr abgegessen als enthusiastisch trotzdem das Angebot für ein Telefongespräch an. Mal probieren, wie es weiter geht. Das Telefonat bestätigt all meine Erwartungen und Vorurteile gegenüber Polizist*innen. Ich erkläre die Grundsituation (Straßenblockade, Räumung, Wegsperren) und sage, dass Menschen Vorwürfe gemacht wurden. Daraufhin wird nachgebohrt, welche Vorwürfe denn gemacht worden seien. Ich sage, dass ist nicht von Belang, es geht dabei einzig und allein um die Tatsache, dass den Personen Vorwürfe gemacht wurden und sie also festgenommen wurden (was die Rechtsgrundlage fürs Einsperren und deshalb relevant ist). Auf erneutes Nachbohren bestätige ich, ja, es könne schwerer Eingriff in den Straßenverkehr gewesen sein oder auch Landfriedensbruch.

Sie fragt, ob die denn Personalien verweigert hätten, wie das manchmal passieren würde. Ich sage drei Personen haben sie angegeben, wurden aber trotzdem mitgenommen. Die anderen nicht. Frage von der „unabhängigen Polizistin“: „Aber die Personen haben nicht mal überlegt, Personalien anzugeben, um raus zu kommen?“ Ich erkläre erneut, dass das vollkommen ohne Bedeutung für die Frage sei, dass die Polizei Rechte verletzt hätte und den Leuten das Telefonat verweigert hätte. Sie weist mich darauf hin, dass das manchmal Zeit in Anspruch nehmen würde und die sich auch um was anders hätten kümmern müssen. Mir fällt es schwer, mich zusammen zu reißen als ich sage, das kann vielleicht bei der ersten Person sein, die relativ schnell wieder draußen war, aber nicht fünf Stunden lang. Die Menschen hätten Rechte und das stünde so im Gesetz und vollkommen egal, was die Polizei sonst noch zu tun hat, sie muss sich halt dran halten, erkläre ich.Gefühlt kommt nichts an. Stattdessen werde ich gefragt, ob ich von den Betroffenen beauftragt worden sei. Ich erkläre, dass das irrelevant für die Frage sei, dass die Polizei hier gegen geltendes Recht verstoßen habe.

Auf die Frage, ob es nur um das Telefonat ginge, erwähne ich noch, dass Tripod räumen durch auseinander ziehen auch eine Gesundheitsgefährung der Person da drin war. Sie fragt nur nach, aber passiert ist der nichts? Nein, mit Glück war sie unverletzt. Mehr interessiert sie daran nicht und ich bestätige, dass wir uns auf den Vorfall mit dem Telefonieren beschränken können. Lebensgefährliche Polizeiräumungsaktionen sind vielleicht für mich schon zu viel Normalität und vor allem glaube ich da noch weniger, dass eine Beschwerde irgendwas helfen würde.

Nachfragen, warum konkret die Polizei telefonieren verweigert hat, wann das verlangt wurde, wie lange die einzelnen Personen festgehalten wurde, was das mit den Betroffenen gemacht hat, gibt es nicht. Ich hätte vermutlich nicht auf alles eine Antwort gehabt. Aber dass in diese Richtung gar nicht erst gefragt wurde, zeigt doch sehr deutlich, dass hier die Polizistin durchkommt – mit all ihren Vorurteilen: Es geht darum, was die Festgenommen gemacht haben, ob sie irgendwelche Straftaten begangen haben, warum sie so „unvernünftig“ waren und keine Personalien angegeben haben. Damit werden diese als „böse“ abgestempelt, um das Verhalten der Polizei nicht in Frage stellen zu müssen. Dabei ist es – in der Theorie des hochgelobten Rechtsstaats – vollkommen egal, was Menschen getan haben für die Rechte, die ihnen selbst noch als Gefangene – theoretisch – zugestanden werden. Praktisch gilt jedoch wie immer, gerade bei der Polizei: Vermeintliche Kriminelle haben halt keine Rechte.

Schlichtung und einvernehmliche Lösungen

Immer wieder Thema ist auch das Ziel meines Anliegens. Ich formuliere ganz klar: Ich will, dass das in Zukunft anders wird und nicht wieder passiert. Strafe ist nicht mein Konzept, erkläre ich, Sanktionen mir egal. Aber schon das scheint irgendwie das falsche Anliegen zu sein für die Polizeibeauftragte. Wenn mein Ziel nicht „gegenseitiges Verständnis“ sei, wird mir bereits im Vorfeld über Mailkommunikation nahegelegt, mich woanders hin zu wenden.

„Ich weiß nicht wirklich, warum ich Verständnis haben soll für eine Polizei, die Menschen elementarste Grundrechte verweigert. Wenn das bei mir erzeugt werden soll, bin ich wohl falsch, weiß aber auch nicht, an wen ich mich sonst wenden soll. Ein Gericht würde mir sagen, dass die Klage unzulässig ist, weil ich in diesem Fall nicht selbst betroffen war. Außerdem verstehe ich es nicht, dass bloß weil ich eine Beschwerde über Fehlverhalten der Polizei habe, ich Verständnis für dieses Fehlverhalten haben soll.“ antworte ich, ebenfalls per Mail und frage: „Erzählen Sie ernsthaft auch Menschen, denen von der Polizei Gewalt angetan wurde, dass Ziel ein gegenseitiges Verständnis ist? Das kommt mir doch hochgradig abschreckend vor.“ Darauf gibt es keine schriftliche Antwort mehr.

Auch im Telefonat geht es dann mal wieder um einvernehmliche Lösungen und das Ziel der Polizeibeauftragten, Transparenz und Vertrauen in die Polizei wieder herzustellen. Ich sage klar, wenn die einvernehmliche Lösung ist, dass die Polizei nächstes Mal Leute telefonieren lässt, dazu können wir kommen. Jetzt wird also eine Stellungnahme der Polizei angefordert.

Aber Verständnis und Vertrauen für die Polizei werde ich nicht haben. Hatte ich mal, vor vielen Jahren, aber das hat die Polizei über 15 Jahre systematisch zerstört und das wird eine angeblich unabhängige Polizeibeauftragte, die doch nur die typischen Fragen der Polizei stellt und sich eben nicht für andere Sichtweisen interessiert, nicht wiederherstellen. Eine Polizeibeauftragte, die doch nur mein Verständnis für die Bullen will.

Wie das mit der Schlichtung aussehen soll, zeigt auch der Fall einer Freundin, der ein Polizist das Knie zertrümmert hat und die sich ebenfalls an die Polizeibeauftragte wandte Der Vorschlag zur Schlichtung sah am Ende so aus, dass sie sich allein mit dem entsprechenden Polizistin hätte treffen sollen. Sie hat das abgelehnt. Verständlicherweise. Ein Vorschlag zur Aufarbeitung von Gewalt sieht so aus, dass sich das Gewaltopfer alleine mit dem Täter treffen soll? Wer das einmal abstrahiert, sieht sofort, dass das kein Versuch einer Schlichtung oder Mediation, sondern ein weiterer Schlag ins Gesicht der betroffenen Person ist. Das gilt auch, wenn eingesehen wird (im Tätigkeitsbericht der Polizeibeauftragten), dass diese Gesprächsbedingungen „inakzeptabel“ „für die Petentin“ waren.

Datenschutz

Auf meine Weigerung, meine Telefonnummer weiter zu geben, aus Angst sie könne in Polizeidatenbanken landen, kommt eine empörte Ablehnung, das würde nicht passieren. Aber damit eine Stellungnahme von Seiten der Polizei eingeholt wird, soll ich unterschreiben, dass ich sowohl einverstanden damit bin, „dass die zuständigen Behörden/Dienststellen der Landespolizei Schleswig-Holstein der oben genannten Dienststelle Auskünfte über meine persönlichen und sachlichen Verhältnisse erteilen und Akteneinsicht gewähren.“ (was wohl tatsächlich einen Datenfluss zur Polizeibeauftragten meint) als auch damit, dass „die mich betreffenden Daten an Verwaltungen/Behörden zwecks Einholung von Stellungnahmen“ weitergegeben werden. Damit wird auch ein Datenfluss an die Polizei ermöglicht. Währenddessen wird auf der Webseite damit geworben, dass Eingaben auch anonym möglich seien.

Die Krönung: Befangen ohne Ende

Schon bis hierhin ist klar, dass mit Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit nicht zu rechnen ist. Die Krone aufgesetzt wird dem aber, als ich einen Zusammenhang herstelle und feststelle, mit wem ich da eigentlich telefoniert und geschrieben habe. Die Kriminalhauptkommissarin war bis vor einem Jahr noch beim polizeilichen Staatschutz in Kiel tätig und sie hat dort im letzten Jahr wegen einer Straßenblockade ermittelt – einer Blockade auf exakt der gleichen Straße um die es im vorliegenden Beschwerdeverfahren ging und bei der relativ offensichtlich war, dass sie zumindest von ähnlichen Gruppen ausging. Deshalb also die ganzen Fragen, warum Menschen Personalien verweigern und was ihnen vorgeworfen wird. Aber damit nicht genug: Im Zuge dessen hat sie auch ein Ermittlungsverfahren gegen mich persönlich geführt, beantragt, dass von mir beschlagnahmte Sachen von mir einbehalten werden (übrigens rechtswidrigerweise, wie sich vor Gericht herausstellte) und mir dazu Briefe geschrieben hat. Ich weiß nicht, ob sie sich an meinen Namen erinnert, kann es mir aber gut vorstellen, dass sie deshalb und wegen der inhaltlichen Nähe den Fall selbst ausgesucht hat, eine Beschwerde, in der sie sich in jeder Hinsicht als befangen hätte erklären müssen.

Ich schreibe dazu eine Dienstaufsichtsbeschwerde und thematisiere da auch ihre alten Ermittlungen, die auch da schon parteilich gegen uns waren: „Die Voreingenommenheit zeigte sich bereits in den Ermittlungen.So schrieb sie beispielsweise, eine Person habe Widerstand geleistet, obwohl weder das Ergebnis der Ermittlungen noch ein entsprechendes Gerichtsurteil vorlagen, trat also die Unschuldsvermutung mit Füßen. Das entsprechende Verfahren wurde kurze Zeit später eingestellt. In ihren weiteren Berichten und Schreiben gibt es weitere Hinweise auf Voreingenommenheit gegenüber den Aktivist*innen, wie beispielsweise, dass nur gegen diese ermittelt wurde, aber nicht gegen Personen, die diese tätlich angegriffen haben.“

Als Reaktion auf die Dienstaufsichtsbeschwerde werde ich zu einem Gespräch mit der Polizeibeauftragten El-Samadoni und ihrem Stellvertreter eingeladen. Ich gehe zusammen mit einer Freundin hin. Das mit der Fehlerkultur beherrschen sie besser als die Polizei, ich bekomme eine Entschuldigung: Die fragliche Polizistin hätte meinen Fall nie übernehmen dürfen, egal wie gering sie auch vorbefasst mit der Sache gewesen wäre. Sie hatte als neue Person einfach die neuen Fälle bekommen. Aus Sicht der Polizeibeauftragte hat die Polizistin einen kompletten „Rollenwechsel“ vollzogen, aber dass ich ihr natürlich nicht vertrauen würde, hätte klar sein müssen, weshalb der Fall nicht hätte bei ihr landen dürfen. Ich denke, dass auch ihre Fragen an mich zeigen, dass das mit dem Rollenwechsel (noch?) nicht so wirklich gelungen ist (auch weil das nicht so einfach ist auf Grund ihrerSozialisation als Polizistin) und dass das nicht nur mit meinem mangelnden Vertrauen zu tun hat.

Wir erläutern nochmal, dass die Fragen bei uns als typische Ausforschungsfragen von Polizist*innen angekommen sind (Fragen, ob mich wer beauftragt hätte oder warum Menschen Personalien verweigern sind Strukturfragen, darüber schweigen wir auch sonst). Das trifft auf Verständnis. Noch einmal folgt eine in meiner Wahrnehmung durchaus ernst gemeinte Entschuldigung, dass da so einiges falsch gelaufen sei.

Was landet bei der Polizeibeauftragten?

Jetzt bin ich doch ein bisschen interessiert, was die Polizeibeauftragte sonst so macht und schaue mir die Tätigkeitsberichte von 2016 bis 2018 und 2018 bis 2020 gründlich an. Die sind wirklich ganz gut zu lesen und enthalten viele Einzelfallschilderungen.

Mein erster Eindruck: In der Polizei ist die Polizeibeauftragte durchaus bekannt und es kommen gerade in den ersten Jahren zahlreiche Eingaben aus der Polizei, bei denen es um Dienstunfälle, Beurteilungen, interne Konflikte und Straf- und Disziplinarverfahren gegen die sich Beschwerenden geht. Bürger*innen wenden sich besonders im ersten Jahr vor allem an die Polizeibeauftragte, wenn sie von der Existenz erfahren haben, beispielsweise durch befreundete Polizist*innen. Ich vermute, dass die meisten Menschen, die mit der Polizei zu tun haben nichts von der Existenz einer Beschwerdestelle wissen.

Die Vorfälle, die auf dem Tisch der Polizeibeauftragten als Beschwerden über polizeiliche Maßnahmen oder polizeiliche Kommunikation landen, sind vollkommen alltäglich. Genauso alltäglich wie Polizei Menschen verletzt.

Sehr anschaulich wird das an einer Beschwerde eines Polizisten, bei dem aufgrund eines Verdachts einer Straftat eine Hausdurchsuchung stattfand. Im Bericht heißt es dazu: „Zu dem Verlauf der Hausdurchsuchung schilderte der Beamte, dass sich die ermittelnden Beamt*innen in Begleitung des zuständigen Oberstaatanwalts so auffällig dem Haus genähert hatten, dass die Nachbar*innen aufmerksam geworden seien. Seine Frau sei außerhalb des Hauses angesprochen worden, auch sie leide unter den Ereignissen. Er selbst sei ‚wie ein Straftäter‘ behandelt und vor den Augen seiner Kinder durchsucht worden.“ Eine Schilderung einer Hausdurchsuchung, wie sie alltäglich von der Polizei bei Verdächtigen durchgeführt wird, nicht etwa bei „Straftätern“, sondern genau wie bei dem betreffenden Polizisten bei Menschen, die einer Straftat verdächtigt werden (wäre eine Straftat bereits belegt, wäre keine Hausdurchsuchung erforderlich). Für den berichtenden Polizisten besteht aber offenbar ein Unterschied zwischen ihm und „Straftätern“, was vor allem etwas über sein Weltbild aussagt und damit einen Eindruck in die polizeiliche Wahrnehmung bietet. Zu dem Fall heißt es auch im Bericht „Der behandelnde Psychologe beschrieb eine Traumatisierung aufgrund der völlig unerwarteten Durchsuchung des Wohnhauses sowie der daraus resultierenden Folgen…“ Aus einigen mir bekannten Fällen von Hausdurchsuchungen weiß ich, dass es eher Normalität ist, dass psychische Belastungen durch einen solchen Eingriff in die Privatsphäre entstehen als dass das einfach weggesteckt wird. Meistens sind die Menschen froh, wenn sie einigermaßen klar kommen und die wenigsten haben dann noch die Nerven, sich noch mit Beschwerden damit auseinander zu setzen. Ich weiß nicht, wie viele Hausdurchsuchungen die Polizei im Jahr macht, aber bei jeder davon werden Menschen psychisch verletzt. Aber hier ist es dann etwas besonderes, weil ein Polizist betroffen ist? Das jedenfalls lässt sich aus der Empfehlung der Polizeibeauftragten schließen, die prüfen lassen will, ob „im Innenministerium ein*e Ansprechpartner*in für Polizeibeamt*innen, gegen die Strafverfahren geführt werden, benannt werden kann. Ziel ist dabei, den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, Informationen über allgemeine Verfahrensabläufe, zeitliche Dauer und ähnliches zu erfahren.“ Menschen, die nicht bei der Polizei arbeiten, die aber ohne Zweifel auch von laufenden Strafverfahren belastet werden, haben diese Möglichkeit nicht.Im Gegenteil wissen sie oft noch viel weniger, was da konkret abläuft. Mit gutem Willen soll hier also wieder der Unterschied zwischen Polizist*innen und „normalen“ Menschen aufgemacht werden – es reicht wohl nicht, dass im Gegensatz zu Strafverfahren bei anderen Menschen es bei Polizist*innen um ein vielfaches seltener zu Anklagen geschweige denn Verurteilungen kommt. Ich vermute, das ist eins der Probleme, die entstehen, wenn Beschwerden vor allem von Seiten der Polizei kommen und deren Wahrnehmung also öfter Thema ist.

Alles Kommunikationsprobleme?

Ein Großteil der Beschwerden von Bürger*innen betrifft die Kommunikation der Polizei.Auch bei vielen Beschwerden wegen rechtswidrigen Maßnahmen wird diese Kommunikation als Problemursache ausgemacht. Ich finde es fast schon ein bisschen witzig, dass sich Menschen an die Polizeibeauftragte wenden, weil sie die Kommunikation der Polizei als „unhöflich“, „unfreundlich“, „zurückweisend“, „lustlos“, „unangemessen“, „schnoddrig“, „intransparent“ oder „belehrend“ wahrnehmen.

In mehreren Fällen ging es auch um das generelle Kommunikationsverhalten, mit Drohungen seitens der Polizei wie: „Ich freue mich schon, Sie vor Gericht zu sehen.“, Beleidigungen wie „Kotzbrocken“, „rotzfrech“, „bescheuert“ oder der Leugnung von Rassismus und Ableismus. So wurde eine Aussage einer Polizistin wie folgt berichtet: „Die Aufforderung, die Familie solle ,nach Hause zurück kehren‘, sei kein Rassismus, auch nicht im Zusammenhang mit dem Werfen von Gegenständen.“ Ein anderer Beamter habe gesagt: „Ach, so was macht doch nichts. Ein bisschen Behindertenfeindlichkeit ist nicht so schlimm“ und er weigerte sich wegen einer ableistischen Beleidigung zu ermitteln.

Tatsächlich konnten viele dieser Fälle zur Zufriedenheit der Polizeibeauftragten „gelöst“ werden. Die Polizist*innen bekamen einen Vortrag über sensiblere und „einfühlsamere Kommunikation“ und die Polizeibeauftragte empfiehlt Trainings in „gewaltfreier Kommunikation“ für die Polizei. Das hört sich für mich so richtig absurd an. Grundsätzlich sind alle Begegnungen mit der Polizei von einem strukturellen Gewaltverhältnis geprägt, ganz einfach aus dem Grund, dass die Polizei Gewalt anwenden darf, die anderen nicht. Diese Drohung schwingt unterschwellig bei jeder Kommunikation mit der Polizei mit, insbesondere wenn die Polizei kontrollierend oder ermittelnd tätig wird. Das geht also gar nicht gewaltfrei und die Forderung bzw der Wunsch, die Polizei solle Menschen „auf Augenhöhe“ begegnen ist eine Illusion. Sie muss das nicht, das ist eben gerade im Gewaltmonopol so angelegt.

Alle Versuche dem entgegen zu steuern, sind also zwangsläufig ein bisschen hilflos, auch wenn es ohne Zweifel manchen Menschen hilft, im Ergebnis eine Entschuldigung der Polizei für ihre unangemessene Kommunikation zu bekommen. In meinem Erfahrungshorizont ist die Regel der Kommunikation der Polizei, dass sie oft überhaupt nicht kommuniziert und zur Frage nach Vorwürfen, Rechtsgrundlagen oder was sie mit Menschen vorhat, meist schweigt. In den Fällen, wo sie kommuniziert, ist das oft herablassend, unfreundlich und beleidigend. Sie wissen genau, dass sie Menschen beleidigen können, wie sie wollen (Strafverfolgung von Polizist*innen gibt es auch in krasseren Fällen nicht). Auch wenn ihnen vordergründig Höflichkeit antrainiert wird, ändert das nicht die strukturellen Probleme, welche auch ihr Kommunikationsverhalten zurück in eine andere Richtung lenken. Insbesondere wenn Menschen nicht sofort tun, was Polizist*innen sagen, werden diese schnell aggressiv und gereizt. Dass es zum Glück hier in den meisten Fällen noch nicht illegal ist, Polizeianweisungen keine Folge zu leisten, spielt keine Rolle.

Versagen beim Trennen der Ebenen

Das führt zum nächsten Thema: Mein Eindruck aus dem Lesen der Berichte ist, dass die Polizeibeauftragte oft darin versagt, die Ebenen zu trennen. Gründe für aggressives, unangemessenes oder gewaltsames Verhalten der Polizei werden im Verhalten der jeweilig Betroffenen gesucht. Verhalten diese sich aggressiv und unkooperativ werden damit die Polizeimaßnahmen pauschal gerechtfertigt.

Zum Beispiel wird über eine Eingabe berichtet: „Im Zuge der Auflösung der Party habe eine Beamtin die Petentin geschubst, wodurch die Petentin sich ein ca. 8cm großes Hämatom zuzogen habe.“ … „Aus der Stellungnahme [der Polizei] ergab sich, dass die Petentin und ihre Gäste polizeilichen Anordnungen nicht Folge geleistet und sich zudem aggressiv verhalten hätten Außerdem habe die Petentin – was diese auf Nachfrage auch einräumte – nach Auflösung der Party auf einem anderen Grundstück im Ort weitergefeiert.“ Wenn polizeilichen Anordnungen nicht Folge geleistet wird, darf die Polizei Gewalt anwenden, aber dennoch muss diese verhältnismäßig und damit das mildeste Mittel sein. Menschen durch die Gegend zu schubsen und dabei ernsthaft zu verletzen, hilft nicht, dass Anordnungen Folge geleistet wird, sondern ist in der Regel vor allem dazu da, Aggressionen abzulassen und ist eben gerade nicht durch die gesetzlichen Ermächtigungen für die Polizei gedeckt. Das spiegelt sich auch in der Aussage einer Beamtin gegenüber der sich Beschwerenden wieder „dass ein Kollege ‚einmal seinen Spaß haben wollte – diesen hat er nun gehabt‘“.

In einem anderen Fall, Grundlage war ebenfalls ein Einsatz wegen Lärmbelästigung, betraten Beamt*innen die Wohnungmit dem Hinweis, dass sie keinen Durchsuchungsbeschluss brauchen und verwiesen einen Partygast mit der Begründung aus der Wohnung, dass er dort nicht gemeldet sei. Vorangegangen war ein unkooperatives Verhalten des Gastgebers und des Gasts. Aber trotzdem braucht es eine Rechtsgrundlage, die den Betroffenen einer Maßnahme auch erklärt werden muss (egal wie diese sich verhalten) für jede polizeiliche Maßnahme, sowohl beim Betreten von Wohnungen als auch bei Verweisungen aus Wohnungen. Und allein die Tatsache, dass eine Person dort nicht gemeldet ist, ist eben keine Rechtsgrundlage. In der Stellungnahme der Polizei ging es dann wohl vor allem um das unkooperative Verhalten der Betroffenen vorher, konkrete Rechtsgrundlagen für das polizeiliche Handeln werden zumindest im Bericht nicht genannt. Stattdessen wird von der Polizeibeauftragten festgestellt: „Es fiel aber auf, dass der Petent auf Vorhalt der Polizeibeauftragten, dass er und sein Gast nach den Aussagen der Beamt*innen durchgängig uneinsichtig und unkooperativ gewesen seien, mit keinem Wort des Bestreitens einging … Gleichwohl hatte der Petent in der Zwischenzeit aber den gegen ihn ergangenen Bußgeldbescheid akzeptiert und das Bußgeld bezahlt. Die Polizeibeauftragte wies darauf hin,dass das ‚energische‘ Auftreten der Beamt*innen an der Wohnungstür die nachvollziehbare Folge des zuvor vom Petenten unternommenen Versuchs der Irreführung der Beamt*innen gewesen sein dürfte. Auch darauf ging der Petent nicht ein. Die Polizeibeauftragte teilte dem Petenten schließlich mit, dass sie bei der Gesamtwürdigung aller Umstände keine belastbaren Hinweise auf ein rechtswidriges Handeln oder persönliches Fehlverhalten der Beamt*innen erkennen könne“. Auch hier versagt die Polizeibeauftragte in der Trennung der Ebenen. Bloß weil ein Handeln der Polizei aus der Situation heraus erklärbar ist, muss es noch lange nicht rechtmäßig oder verhältnismäßig sein. Zusätzlich wird das Akzeptieren eines Bußgeldbescheids als Indiz gegen den Petenten gewertet, obwohl es dafür sehr viele Gründe geben kann, die nicht mit einem Schuldeingeständnis zu tun haben. Dafür scheint es hier an Sensibilität zu fehlen. Hier wird die Schuld relativ einseitig zu den Betroffenen polizeilicher Übergriffe geschoben.

Nachträgliche Rechtfertigung

Ein weiteres Muster, was sich in den Berichten der Polizeibeauftragten (wie auch im sonstigen Kontakt mit der Polizei) erkennen lässt, ist die nachträgliche Rechtfertigung von Polizeieinsätzen, bei denen sich die rechtlichen Grundlagen den jeweiligen Beschwerden anpassen, sodass die Handlung der Polizei im Nachhinein als rechtmäßig dargestellt wird. Damit das geht, kommuniziert Polizei oft nicht vor Ort die Rechtsgrundlagen ihrer Maßnahmen, manchmal wissen sie diese noch nicht einmal. Sich im Nachhinein unter Kenntnis aller Fakten Rechtsgrundlagen zurecht zu legen ist einfacher. Das ist einer der Gründe für oft fehlende Kommunikation und Transparenz durch die Polizei, der jedoch durch die Polizeibeauftragte nicht reflektiert wird.

Zum Beleg der These, dass die Polizei oft im Nachhinein Sachen rechtfertigt, schaue ich in ein paar Fälle aus dem Bericht der Polizeibeauftragten. Klassisch ist der Fall des Verbotes des Kranens von Segelbooten während der Pandemie. Laut Bericht hat die Polizei dies zuerst untersagt, weil Kranen generell verboten sei. Als sich das als unhaltbar herausstellte, erklärten sie (vor Ort) „die Bürger*innen hätten die Abstandsregel nicht eingehalten und es seien insgesamt zu viele Personen aus unterschiedlichen Haushalten vor Ort gewesen.“ Die Maßnahme bleibt erhalten, es wird nur eine andere Rechtsgrundlage gesucht, wenn die erste nicht funktioniert.

In einem anderen Fall wird angeführt: Der Grund für die Einsatzfahrt mit Sonder- und Wegerechten war „die Verbringung einer Person nach einer Trunkenheitsfahrt in den nächsten Polizeigewahrsam. Die Person habe währenddessen unentwegt Widerstand geleistet“. Später wird auf Nachfrage der Polizeibeauftragten ergänzt: „dass Eile auch deshalb geboten gewesen sei, da aufgrund der Abwesenheit der involvierten Beamt*innen die Dienststelle personell unterbesetzt gewesen sei“. Auch hier werden die ursprünglichen Rechtsgrundlagen mal wieder in Nachbetrachtung erweitert.

In einem weiteren Fall wurde einer Person nach ihren eigenen Angaben von der Polizei zwar mitgeteilt, dass ein Nachbar sich beschwert hätte, aber nicht worüber. Erst in der Kommunikation mit der Polizeibeauftragten wurde klar, dass es sich um den (nicht zutreffenden) Vorwurf der illegalen Abfallentsorgung ging.

Viel krasser ist aber ein weitere als Kommunikationsproblem eingestufter Fall. Bei einem mutmaßlichen Sexualdelikt wurde der Betroffenen, die von einer männlichen Person unangemessen berührt wurde, bei der Vernehmung die Frage gestellt, was sie an hatte und ob sie einen BH trug. Es ist vollkommen klar, dass diese Frage im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung der Betroffenen vermittelte, sie hätte aus Sicht der Polizei Mitschuld an dem Vorfall. Ich vermute, dass das in dem Moment von der Polizei genau so gemeint war, mit der alltäglichen Normalität von krassem Sexismus. Im Nachhinein wurde bei der Beschwerde der Polizeibeauftragten dann jedoch versucht die Frage zu rechtfertigen: „Das Stellen der Frage sei kriminalistisch erforderlich und im Sinne einer Rekonstruktion des Tatgeschehens dringend geboten gewesen. Es mangele weder am Sachzusammenhang zum Vernehmungsanlass, also der angezeigten Tat, noch sei die Frage geeignet, Zweifel an der allgemeinen Vernehmungsatmosphäre aufkommen zu lassen.“ Dann wurde von der Polizeidirektion nachgeschoben, dass solche Fragen „unverzichtbar seien, da sie dazu dienten, Täterwissen zu verfizieren und im Rahmen einer Vorausschau auf das folgende Hauptverfahren bei der Staatsanwaltschaft eine erste Einschätzung der Schwere der Schuld des*der Täter*in abgeben zu können.“ Als die Polizeibeauftragte das nicht einsehen wollte, erläuterte der Ansprechpartner bei der Polizei „dass es mit dem Stellen der in Rede stehenden Frage allein darum gegangen sei, die Tatbestandsmerkmale des §184i abzuklären. Insbesondere sei hier zu ermitteln gewesen, ob seitens des Beschuldigten eine tatbestandsmäßige Tathandlung vorgenommen worden war.“ Mir kommt das immer alles noch wie vorgeschoberner Bullshit vor, um eine unangemessene und verletzende Frage zu rechtfertigen – als ob das ernsthaft entscheidend für die Frage der Belästigung ist, ob wer einen BH trägt oder nicht. Die Polizeibeauftragte gibt sich jedoch damit zufrieden und versucht selbst noch, eine juristische Begründung herbeizukonstruieren, mit der Tatsache, dass für eine Strafbarkeit Handlungen „in sexuell bestimmter Weise“ erfolgt sein müssen – aber auch damit erschließt sich mir die Frage nach der Kleidung definitiv nicht. Im Grunde habe ich den Eindruck, dass hier zwanghaft das eigentliche Problem wieder in die Gesprächsführung zurück geführt wird, weil es so gut ins Muster der bearbeiteten Fälle passt, die Kommunikation jedoch nicht der eigentliche Kern des Problems ist. Trotzdem endet der Fall mit einer Empfehlung an die zuständige Polizeidirektion hinsichtlich einer sensibleren und transparenteren Gesprächsführung. Mit dieser gibt die Betroffene sich zufrieden, bei mir bleiben Zweifel.

Was landet nicht bei der Polizeibeauftragten?

Bei der Polizeibeauftragten landen nur sehr vereinzelt Fälle von Polizeigewalt. Das ist kein Zufall. Ganz konkret kann dort im Prinzip nicht im Geringsten geholfen werden. Es ist jahrelange Erfahrung aus verschiedenen sozialen Bewegungen, dass die Polizei, wenn sie Gewalt anwendet, dann die Opfer anzeigt um diese Gewalt zu rechtfertigen. Ich weiß, dass wenn ein Mensch eine Anzeige gegen einen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt stellt, es viele Male wahrscheinlicher ist, dass genau dieser Mensch verurteilt wird wegen Widerstand oder tätlichem Angriff, als dass es auch nur zur Anklageerhebung gegen den Polizisten kommt. Zahlenmäßig ist das belegt. Und ich weiß auch, dass das ebenso gilt, wenn es nie eine Widerstandshandlung gab, weil ich weiß, dass Polizist*innen auch vor Gericht lügen und das Gericht ihnen im Zweifel immer glauben wird. Einfach weil sie für Richter*innen glaubwürdige Zeug*innen darstellen. Das ist einer der Hauptgründe, warum ich Menschen immer von Anzeigen gegen Polizist*innen abrate, so mies wie es sich direkt nach der Gewalterfahrung auch für Menschen anfühlt, dem ohnmächtig gegenüber zu stehen. So ist die Welt mit Polizei und Rechtsstaat eben. Aber das ist ein Grund, warum da ein Einschalten der Polizeibeauftragten nicht helfen würde. Um in dem Fall was erreichen zu wollen, müsste die Polizei informiert werden und dann gibt es sofort das Problem mit der Gegenanzeige.

In einem Beispiel, wo die Polizeibeauftragte einen Fall von Polizeigewalt überprüfen sollte, war das Video, was unterschiedliche Darstellungen hätte aufklären können, bei der Staatsanwaltschaft kaputt gegangen und bei der Polizei auch nicht mehr vorhanden. Ein klassischer Fall, aber diese Erklärung wurde so hingenommen, das Verfahren bei der Polizeibeauftragten ergebnislos abgeschlossen. Auch den Hinweisen, dass der Betroffene trotz ernsthafter Verletzungen in einer Polizei-Zelle seinem Schicksal überlassen wurde ohne ärztliche Versorgung, wurde scheinbar nicht weiter nachgegangen, obwohl das ganz unabhängig von der Frage, woher die Verletzungen kamen, ein leider immer wiederkehrendes Problem ist.

Auch das oben genannte Beispiel, wie mit Betroffenen von Polizeigewalt umgegangen wird, zeigt mir, dass das eben auch nicht so einfach ist, sich an diese Stelle zu wenden: Ein Gespräch mit dem Gewalttäter unter vier Augen – ernsthaft? Und auch, wenn ich von nem Bullen zusammen geschlagen werde und mir als erstes gesagt wird, ich soll Verständnis dafür haben und Vertrauen in die Polizei gewinnen und am Ende gar, dass alles in Ordnung war was die Polizei gemacht hat (wie in den meisten der Fällen, die in den Berichten zu Polizeigewalt behandelt werden), dann ist das definitiv nicht das, was mir hilft, besser mit dem Erlebten klar zu kommen. Im Gegenteil kann die Erfahrung absolut nichts bewirken zu können, beispielsweise über den Weg der Polizeibeauftragten (genauso wie über Klagen vor Gerichten) zu einer Retraumatisierung führen.

Und ganz ehrlich: Ich wüsste auch nicht, was in Fällen von Polizeigewalt überhaupt durch die Polizeibeauftragte erreicht werden könnte, zufrieden stellend geklärt werden konnte deshalb in dem Bereich auch nur weniges (aus Sicht der Polizeibeauftragten). Deshalb wird es wohl dabei bleiben, dass Fälle von Polizeigewalt dort eher nicht landen.

Einzelfälle?

Ich habe den Eindruck, dass es der Polizeibeauftragten bei Beschwerden aus der Polizei durchaus gelingt, strukturelle Probleme zu thematisieren, wie beispielsweise Bearbeitungen durch die Personalabteilung des Landespolizeiamts oder Lücken bei der Anerkennung von Dienstunfällen. Bei den Beschwerden von Bürger*innen bleibt bei mir sehr stark der Eindruck, dass diese vor allem als Einzelfälle behandelt werden und eher strukturelle Vorschläge sich auf das Kommunikationsverhalten der Polizei beschränken. Diese Betrachtung und Behandlung als Einzelfall scheint den Blick auf die oben genannten strukturellen Probleme zu verstellen oder zu verhindern. Eventuell liegt das auch an der Nähe der Beschwerdestelle zur Polizei, durch die personelle Besetzung mit Polizist*innen und den Kontakt mit Beamt*innen nicht nur bei der Bearbeitung von Beschwerden um Probleme mit, sondern auch bei Problemen innerhalb der Polizei. Je mehr Perspektiven aus einer Organisation wie der Polizei aber eine Rolle spielen, desto mehr werden auch diese Perspektiven selbst eingenommen. Das führt dann zu eigenen Rechtfertigungen polizeilicher Maßnahmen, wenn Betroffene sich nicht so polizeihörig wie erwünscht verhalten haben. Das wiederum senkt meine Erwartungen und meine Hoffnungen an diese Beschwerdestelle.

Was soll erreicht werden?

Transparenz und Stärkung des Vertrauens in die Polizei soll die Polizeibeauftragte erreichen, wird mir als vorrangiges Ziel genannt, im Gesetz steht das als „partnerschaftliches Verhältnis zwischen Bürger und Polizei stärken“ (§10 BüPolBG). Der Teil aus dem Gesetz, dass sie bei der Abhilfe von begründeten Beschwerden helfen soll, wurde mir am Anfang verschwiegen. Die Konzentration auf Schlichtung und Mediation kommt vor allem aus der politischen Diskussion rund um die Einführung der Polizeibeauftragten, die durchaus umstritten war. Vermutlich auch ein Kompromiss, um die Stelle durchzusetzen. Und trotzdem ist das ein Problem: Wenn Menschen an einer Schlichtung gar nicht interessiert sind, wird zumindest versucht, weiter zu verweisen und die Fälle nicht zu behandeln. Immer auch die Sichtweise der Polizei einzunehmen heißt auch, polizeiliche Maßnahmen mit dem Verhalten von Betroffenen zu rechtfertigen. Mir fällt es schwer, anderen Menschen zu empfehlen, sich dort hin zu wenden, gerade wenn sie von Polizeigewalt betroffen sind, weil ich eben die Angst habe, ihnen wird nur erzählt sie sollen Verständnis haben und alles was die Polizei gemacht hat, war schon in Ordnung.

Meine Gesamtbewertung fällt zwiespältig aus. Ich habe den Eindruck, dass Frau El-Samadoni sich ernsthaft bemüht, die Stelle so aufzubauen, dass sich tatsächlich Bürger*innen dorthin wenden können und dafür das notwendige Vertrauen zu schaffen. Fragen wie die, wie die Stelle besser besetzt werden könnte oder unsere Diskussionen um Austausch und Vernetzungsarbeit haben das gezeigt. Das ist gut und gibt ein bisschen Hoffnung.

Dennoch ist es natürlich auch so, dass das Hauptziel der Stelle ist, Vertrauen in den Staat aufzubauen, Vertrauen, welches in der Bevölkerung kontinuierlich schwindet. Ein Ziel, welches nicht mein Ziel ist (da ich eine Abschaffung der Polizei schon wünschenswerter fände). Dieses Ziel findet sich auch wieder, wenn ich mir die Berichterstattung zum Tätigkeitsbericht von 2018 bis 2020 anschaue. Dort ist der Tenor, dass es gar nicht so viele Probleme gibt und dass wenn es welche gibt die Beschwerdestelle eine gute Arbeit macht und alle Konflikte mit der Polizei schlichtet. So heißt es im NDR: „Bürgerinnen und Bürger beschwerten sich etwa über Einsatzkräfte, die sich im Ton vergriffen. Insgesamt gab es zwei Vorwürfe wegen rechtswidriger Polizeigewalt. … Die meisten Fälle konnten im Gespräch unter Vermittlung der Polizeibeauftragten geklärt werden.“ Auch die Berichte selbst stärken diese Wahrnehmung. Im Grunde ist das Ergebnis: In den allermeisten Fällen handelt die Polizei rechtmäßig und vollkommen in Ordnung, nur manchmal vergreift sie sich im Ton.

Insofern wird die die öffentliche Wahrnehmung beeinflusst insofern dass Fälle von Polizeigewalt total selten seien und falls sie doch mal auftreten sollten, kritisch und unabhängig aufgearbeitet würden. Aber das werden sie nicht und selten ist Polizeigewalt auch nicht. Für die betrachteten Zeiträume würden mir vermutlich mehr Fälle in meinem direkten Umfeld einfallen – aber sie landen eben nicht bei der Polizeibeauftragten, eben weil dort vor allem Feigenblatt-Politik betrieben wird. Ob sich das durch mehr dort gemeldete Fälle oder eine andere personelle Besetzung tatsächlich ändern ließe, bleibt schwer zu sagen.