#BlockNeurath: 9 Monate Haft für eine Kohlekraftwerksblockade?

Im November 2021 hatten Klimagerechtigkeitsaktivist*innen die Kohlezufuhr vom Kohlekraftwerk Neurath gestoppt, parallel zur COP 26 in Glasgow um den Kohleausstieg selbst in die Hand zu nehmen. Was zeitweise auch gelang, so musste das Kraftwerk erst gedrosselt, dann ein Block herunter gefahren werden, was zwischen 5.000 und 22.000 Tonnen CO2 einsparte. Richterin Dr. Zieschang vom Amtsgericht Grevenbroich verurteilte deshalb bereits im April eine Person wegen einer Ankettaktion in dem Rahmen, am 19.12.23 wurde auch die zweite Angeklagte – eine Genossin aus Kiel – ebenfalls zu 9 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt – ein Signal welches sich an die ganze Klimagerechtigkeitsbewegung richten soll, ja nicht zu effektiven Aktionen zu greifen. Berufung gegen das Urteil ist eingelegt.

Blockade des Kohlekraftwerks Neurath - parallel zum Prozess

Währenddessen gehen die Prozesse am Landgericht Mönchengladbach und Amtsgericht Grevenbroich weiter, die Termine finden sich bei der Antirepressionsgruppe Rheinisches Revier. Alle Angeklagten freuen sich über solidarische Publikum und solidarische Aktionen, ob am Gericht, am Kohlekraftwerk oder sonstwo. Diese Verfahren zeigen auch exemplarisch, wie sich die Repression gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung mehr und mehr verschärft.

Wir möchten hier eine kurze Zusammenfassung des Prozesses der Genossin am Amtsgericht Grevenbroich mit Links zu ausführlicheren Berichten geben:

1. Verhandlungstag 25.9.23: Vor dem Amtsgericht gibt es unter dem Motto „Party statt Prozess“ ein Live-Konzert, welches auch im Verhandlungssaal gut zu hören ist. Drinnen werden einige Anträge zur Öffentlichkeit und Aktenvollständigkeit gestellt. Bereits nach 35 Minuten verfügt die Richterin, alle Anträge ab jetzt nur noch schriftlich zu stellen, was mit einem Befangenheitsantrag beantwortet wird, worauf der Prozesstag endet. Presseinfo zum Termin: https://antirrr.nirgendwo.info/2023/09/25/block-neurath-am-amtsgericht-grevenbroich-was-ist-ein-geordneter-prozess/

2. Verhandlungstag 10.10.23: Der ehemalige Leiter für den Kraftwerksbetrieb des Kohlekraftwerks Neurath wird vernommen. Der RWE-Zeuge berichtete, wann das Kraftwerk gedrosselt wurde und verwickelte sich ansonsten in Widersprüche zu seinen Aussagen im ersten Prozess, lieferte jedoch auch einige spannende Infos über den Kraftwerksbetrieb. Außerdem wurden Polizeivideos gezeigt. Draußen wurden Texte vorgelesen, die drinnen nicht gelesen werden durften.
Prozessbericht: https://antirrr.nirgendwo.info/2023/10/11/block-neurath-wie-funktioniert-das-kohlekraftwerk/

3. Verhandlungstag 30.10.23: Es werden verschiedene Polizeizeug*innen vernommen, zwei davon haben nur Protokoll geschrieben. Der Beamte der technischen Einheit meint sich an die Angeklagte zu erinnern, ein Beamter der Hundertschaft war für die Sicherung zuständig, weiß jedoch nicht, wovor er eigentlich genau sichern sollte. Außerdem wird der Schadensberechner von RWE vernommen, der sich stets in lange Monologe flüchtet, damit es schwerer ist, die Widersprüche seiner Berechnungen aufzudecken. Die Richterin verbietet eine Frage zur Zeugenbeeinflussung durch die Rechtsabteilung von RWE. Es wird eine Frist zur Stellung von Beweisanträgen gesetzt. Die Versammlung draußen wird diesmal durch die Polizei angegriffen, welche die Lautsprecherbox umwirft und dabei Teile zerstört.
https://antirrr.nirgendwo.info/2023/10/31/viele-zeuginnen-und-auseinandersetzungen-im-block-neurath-prozess/

4. Verhandlungstag 14.11.23: Die Verteidigung reicht zahlreiche Beweisanträge ein mit etwa 120 Seiten Umfang, der Richterin reicht eine Stunde um diese zu lesen und entscheiden. Daraufhin gibt es einen Befangenheitsantrag mit der Begründung dies sei unmöglich. Die Beweisaufnahme wird geschlossen und der Prozess vertagt. Weil die Anträge drinnen nicht vorgelesen werden durften, finden sie sich in der Stadt Grevenbroich wieder:
https://antirrr.nirgendwo.info/2023/11/14/blockneurath-grevenbroich-fakten-zur-klimakatastrophe-an-oeffentlichen-waenden-statt-im-gericht/

5. Verhandlungstag 28.11.23: Während im Gericht weiter verhandelt wird mit den Plädoyers von Staatsanwaltschaft (fordert 8 Monate ohne Bewährung) und Verteidigung (fordert Freispruch), blockieren Angeklagte und Unterstützer*innen mit einer Sitzblockade die Zufahrt des Kohlekraftwerk Neurath. Weil Befangenheitsanträge noch nicht entschieden sind, geht der Prozess jedoch nicht zu Ende.
Prozessbericht: https://antirrr.nirgendwo.info/2023/11/28/blockneurath-auf-blockade-statt-im-gericht/
Plädoyer der Verteidigung: https://antirrr.nirgendwo.info/files/2023/12/pladoyer.pdf

6. und letzter Verhandlungstag am 19.12.23: Das letzte Wort der Angeklagten wird über 45 Minuten verlesen, mit verschiedener zitierter Prosa und beeindruckt manchmal sogar die Staatsanwältin. Während der Urteilsverkündung ist diese draußen und tanzt, was einen Justizwachtmeister verstört:
Letztes Wort: https://antirrr.nirgendwo.info/files/2023/12/letzteswort.pdf
Prozessbericht: https://antirrr.nirgendwo.info/2023/12/19/9-monate-ohne-bewaehrung-die-gute-dame-ist-draussen-und-tanzt/