„Auch tote Cops sind Cops. Sorry not sorry.“

Einmal getwittert und schon bekommt man einen Hausbesuch     

Im Januar 2022 wurden zwei Polizist*innen in Kusel ermordet, so wie über 200 andere Menschen in dem Jahr. In diesem Fall ging es jedoch um Polizist*innen. Es gab Schweigeminuten im ganzen Land und zahlreiche Anteils-, Beileids- und Solidaritätsbekundungen mit der Polizei. Nicht alle fanden das angemessen beziehungsweise verhältnismäßig. Auch in den sozialen Medien wurde darüber diskutiert.

Was die Polizei bei rassistischen, sexistischen und antisemitischen Beleidigungen nicht schafft, war plötzlich ganz einfach als es um die eigenen Leute ging: Bereits einen Tag nach der Tat wurde eine Ermittlungsgruppe Hate Speech beim Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz eingerichtet, um „hetzerische Inhalte“ festzustellen und zu verfolgen. Die sozialen Medien wurden danach durchforstet, zahlreichen Meldungen von Kommentaren nachgegangen, bundesweit Meldungen an die Ermittlungsgruppe weiter geleitet. 

Bei einer Genossin stand dann im Januar 2023 plötzlich morgens die Polizei vor der Tür für eine Hausdurchsuchung. Die Ermittlungsgruppe war unter anderem nach einer Bestandsdatenabfrage zu einem Twitter-Account über die hinterlegte Handy-Nummer auf sie gekommen. Ihr wird Billigung von Straftaten vorgeworfen, indem sie bei Twitter den Kommentar „Auch tote Cops sind Cops. Sorry not sorry.“ gepostet haben soll. Die Polizei beschlagnahmte bei der Hausdurchsuchung das Smartphone.

Die Begründung für die Hausdurchsuchung (wohlbemerkt eine eingriffsintensive Maßnahme) ist interessant. Das Amtsgericht in Kiel hatte den Antrag der Staatsanwaltschaft abgelehnt, weil es eine Störung des öffentlichen Friedens nicht erkennen konnte. Das Landgericht widerum genehmigte die Durchsuchung: Der Polizistenmord in Kusel würde durch den Post „gutgeheißen“, weil die Beschuldigte „keine Veranlassung dafür sieht, die gewaltsame Tötung zweier Polizeibeamter zu bedauern“ stelle sie sich „moralisch hinter den Täter“. „Indem die Beschuldigte mit ihrem Beitrag zum Ausdruck bringt, dass sie keine Veranlassung dafür sieht, die gewaltsame Tötung zweier Polizeibeamter zu bedauern, heißt sie das Verbrechen an sich gut“ – so heißt es im Beschluss für die Hausdurchsuchung. Nicht um Polizist*innen zu trauern wird in diesem Fall vom Kieler Landgericht dazu umgedeutet es gut zu finden, wenn Polizist*innen ermordet werden – wodurch eine Durchsuchung zu rechtfertigen sei.

Dass es eigentlich darum geht, hier vor allem die Polizei vor Kritik zu retten, wird in den weiteren Ausführungen deutlich, in denen es heißt: „zu mal sie durch den von ihr gewählten Begriff „Cops“, dem als Bezeichnung für „Polizisten“ oder „Polizeibeamte“ gemeinhin ein abfälliger Unterton innewohnt, die Opfer auf ihre – aus Sicht der Beschuldigten missbilligte – hoheitliche Funktion reduziert und ihnen selbst im Tod keine Würde als Menschen zuteil werden lässt.“ Dabei sind nicht die Kommentierenden bei Twitter die ersten gewesen, welche die Polizist*innen auf ihre hoheitliche Funktion reduzierten – die ganze Staatstrauer, das ganze mediale Interesse gab es nur, weil die Getöteten beide Polizist*innen waren. Für andere Ermordete (wie u.A. bei zahllosen Femiziden oder rassistischen Polizeikontrollen) wird so etwas nicht gemacht. Es soll also Opposition zur Polizei bestraft werden und folglich eine (legitime) Meinungsäußerung.

Im Durchsuchungsbeschluss wird weiterhin erklärt, die Tat wäre geeignet den öffentlichen Frieden zu  stören, weil sie die „gewaltsame Tötung als legitime Option im Umgang mit durch polizeiliches Handeln ausgeübter Staatsgewalt und legitime Ausdrucksform einer hiergegen gerichteten Abneigung“ hinstellt und daduch „Hemmschwellen herabsetzen und dadurch den Boden für neue gleichartige Untaten bereiten“ kann. Infolge solcher Kommentare würde ein „psychisches Klima der Gesetzeslosigkeit gedeihen“. Auch hier wirkt es, als ob vor allem die Abneigung gegen die Staatsgewalt ein Problem darstellt. 

Der Twitter-Kommentar mag geschmacklos erscheinen, nichts desto weniger ist es aufschlussreich was sich hier Staatsanwaltschaft und Gericht zusammen reimen, um Hausdurchsuchung und Verfolgung zu rechtfertigen. Einmal mehr wird der Eindruck erweckt, dass Polizist*innen (oder „Cops“) eben doch gleicher sind als andere. So zu beobachten auch für Innensenator*innen: In Hamburg hatte Andy Grote wegen der Wortwahl  „Du bist so 1 Pimmel“ eine Hausdurchsuchung veranlasst.

Das gilt insbesondere, wenn wir uns ansehen, was an Hate Speech von der Polizei nicht verfolgt wird. Das ZDF Magazin Royale machte dazu 2021 ein Experiment und zeigte antisemitische, fremdenfeindliche und morddrohende Kommentare bei verschiedenen Polizeidienststellen an, nur um festzustellen, dass fast nirgendwo überhaupt ermittelt wurde. 

Eine bekannte Grünen Politikerin verlor die Klage auf Herausgabe von Daten von Social Media Plattformen, weil ein Gericht „Stück Scheiße“ oder „Geisteskranke“ nicht als Beleidigung einstufte. Wäre sie nicht eine Politikerin sondern ein Polizist oder Innensenator gewesen, wäre der Beschluss sicherlich anders ausgefallen.

Es gibt zahllose Beispiele mehr, bei denen Polizei und Strafverfolgungsbehörden untätig bleiben, wenn Nazis oder Schwurbler*innen Menschen bedrohen und beleidigen. Und weitere Beispiele in denen Polizist*innen selbst, in Chatgruppen und ähnlichem,diskriminierende Kommentare teilen – dort ist von „Einzelfällen“ anstatt von „Klima der Gesetzlosigkeit“ die Rede.

In diesem Fall ist die Strafverfolgung offensichtlich politisch motiviert. Hierdurch sollen Cops gegen Angriffe geschützt und vor Kritik immuniert werden. Sie werden als „Opfer von Gewalt“ inszeniert und nicht als die Täter*innen die sie bei Polizeigewalt oder rassisistischen Polizeikontrollen immer wieder sind. Der Diskurs soll in diese Richtung weiter verschoben werden, was an vergangenen Kampagnen zu „Gewalt gegen Polizist*innen sowie entsprechenden Gesetzesverschärfungen ersichtlich wird. Die Ermittlungen gegen Social-Media-Posts wie im Fall Kusel sollen dazu beitragen. Deshalb ist es wichtig mit den Betroffenen solidarisch zu sein.

In dem konkreten Fall wurde das Verfahren übrigens am Ende trotz Task Force, all dem Aufwand und angeblich gerechtfertigter Hausdurchsuchung gegen Zahlung einer Geldauflage von 600 € eingestellt.